Beschreibung
'Wo liegt Italien?' Einem nach Süden blickenden Publikum scheint die Antwort selbstverständlich. Das nach Italien orientierte Bildungsbürgertum um 1900 hat durchaus noch Bilder und Reiserouten Goethe'scher Prägung vor Augen. Nicht ganz so einfach macht es sich da der Innerschweizer Schriftsteller und Journalist Heinrich Federer (1866-1928), ein Klassiker der deutschsprachigen Schweizer Literatur des frühen 20. Jahrhunderts und einer der auflagenstärksten Autoren mit einem grossen Lesepublikum auch in Deutschland. 'Wo liegt Italien?' Der Innerschweizer Schriftsteller Heinrich Federer (1866-1928), in erster Linie als Dichter der Heimat und der Berge sowie als Journalist wahrgenommen, stellte sich diese Frage im Lauf seiner zahlreichen Reisen und Wanderungen durch die Südschweiz und Italien immer wieder. Der Kulturraum südlich der Alpen war ihm zeitlebens hoch geschätztes Gegengewicht zur alemannisch-nordischen Lebens und Denkweise, ohne ihm darüber jedoch zum trivialen Fluchtraum zu verkommen. Die in diesem Auswahlband versammelten Essays, Reisebriefe und fiktionalen Texte zeugen von dieser intensiven Auseinandersetzung mit dem Raum südlich der Deutschschweiz. Federers Reiseblick ist äusserst scharf und vielschichtig. Tradierte Bilder werden nie unhinterfragt übernommen, neue vielmehr wiederholt geprägt. Der Band wirft nicht nur ein neues Licht auf den zu Unrecht in Vergessenheit geratenen und missverstandenen Schriftsteller, sondern auch auf einen bislang weitgehend unbekannten Aspekt der Italienrezeption aus Schweizer Perspektive.
Autorenportrait
Heinrich Federer wuchs in in Sachseln (OW) auf. Nach dem Studium der Theologie wurde er 1893 zum Priester geweiht und war danach Kaplan in Jonschwil. Aus gesundheitlichen Gründen - er litt unter Asthma - wurde Federer 1900 in ein Frauenheim nach Zürich versetzt und arbeitete als Chefredaktor bei den katholischen Neuen Zürcher Nachrichten. Zuvor war ihm die Aufnahme in das Benediktinerkloster Einsiedeln wie auch bei den Jesuiten verwehrt worden, da kirchenintern seine homosexuellen Neigungen wohl bereits bekannt waren. Im 'Stanser Pädophilenprozess' von 1902 wurde Federer wegen einer angeblichen homosexuellen Handlung verurteilt und verlor seine Reputation und seine Arbeitsstelle. In zweiter Instanz wurde er jedoch vom Obergericht freigesprochen. Dennoch blieb sein Ruf geschädigt und er verdiente sich einen sehr bescheidenen Lebensunterhalt mit gelegentlichen journalistischen Beiträgen. 1909 gewann er einen Novellenwettbewerb in Deutschland und wurde auf einen Schlag berühmt und konnte von nun an von der Arbeit als Schriftsteller leben. Zu seinen bedeutenderen Werken gehören unter anderen 'Das Mätteliseppi' (1916), 'Am Fenster' (1927), 'Jungfer Therese' (1913) sowie 'Papst und Kaiser im Dorf' (1924).