Mit dem Martinszentrum hat die im Dreieck Dessau, Halle, Merseburg gelegene Kleinstadt Bernburg (ca. 30 000 Einwohner) eine besondere Attraktion. Wegen der mit der Industrialisierung im späten 19. Jahrhundert steigenden Bevölkerungszahl war eine weitere Kirche notwendig geworden. In den Jahren 1884-1887 entstand ein neogotischer Sandsteinbau, der nach Martin Luther benannt wurde. Sein Kennzeichen ist der 57 Meter hohe, weithin sichtbare, spitze Westturm mit einer Aussichtsplattform in 32 Metern Höhe. Eine weitere architektonische Besonderheit des Baus ist es, dass durch die sehr schmalen Seitenschiffe die dreischiffige Kirche mit polygonal geschlossenem, einschiffigem Chor eine Einheitlichkeit des Innenraumes bietet, wie sie untypisch für mehrschiffige Hallenkirchen ist. 1891 wurde die zugehörige Martinsgemeinde gegründet. 1991 bot die Stadt der Gemeinde an, Kindergärten in Trägerschaft zu übernehmen. 2003 wurde auch eine Evangelische Grundschule eröffnet. Am Beginn des Jahrtausends fiel die Entscheidung, die Martinskirche, gefördert durch Bundesmittel, zum integralen Bestandteil eines Kinder- und Gemeindezentrums mit Schule, Hort und Kindertagesstätte werden zu lassen. Das Leipziger Architekturbüro Weis & Volkmann schuf einen vielfach prämierten Entwurf, der bis 2007 realisiert wurde. Seither erstreckt sich wie in einer mittelalterlichen Klosteranlage um die Kirche ein dreiflügeliger Flachbau, in dem Bildungseinrichtungen untergebracht sind. Diese sehr reizvolle Lösung wurde als auf einer Betonplatte ruhender Holzständerbau um einzelne Bäume herum errichtet. Entstandene Freiräume können als grüne Klassenzimmer genutzt werden. So erhielt die massive Kirche eine leichtgebaute Umfassung. Architektonisch ist einerseits die Offenheit zur Stadt und andererseits die Hinwendung zur Kirche umgesetzt worden. Eine so komplexe Verbindung von Kirche und Kindererziehung wie in Bernburg ist einmalig in Deutschland.