Beschreibung
Walter Benjamin entwickelt seinen Begriff der Aura ab 1930 im Kontext einer historisch-materialistischen Wahrnehmungslehre, deren Fundamente er in der frühen Sprachtheologie von 1916 gelegt hat. Demnach zeichnet sich die ursprüngliche, paradiesische Wahrnehmungssituation als 'Anschauung' durch die reine Übersetzung der 'Sprache der Dinge' in die menschliche Sprache aus. Ist die Reinheit dieser Übertragung nach dem sprachlichen Sündenfall in der gewöhnlichen, begrifflich vermittelten Wahrnehmung nicht mehr gegeben, so ist Anschauung - als Aura - auch im nachadamitischen Zeitalter möglich: zum einen in kontemplativen Naturerfahrungen, zum anderen realisiert durch spezifische künstlerische Praktiken. Daher liegt der Konvergenzpunkt der verschiedenen Aura-Definitionen in Benjamins Anschauungskonzept, gründend in einer materialistisch-theologischen Medien- und Wahrnehmungsontologie.
Autorenportrait
Demian Berger ist Philosoph und Literaturwissenschaftler. Er war in Forschung und Lehre an der Universität Zürich sowie an der ETH Zürich tätig und arbeitet derzeit als Oberassistent am Seminar für Kulturwissenschaften und Wissenschaftsforschung der Universität Luzern. Schwerpunkt seiner jüngsten Forschung ist das Verhältnis von Politik, Ästhetik und Religion in der ästhetischen Moderne.