Beschreibung
Eines der im Insolvenzrecht in den vergangenen Jahren am häufigsten und am kontroversesten diskutierten Phänomene ist das der Insolvenzflucht beziehungsweise des Insolvenztourismus. Wer sein heimisches Insolvenzrecht als zu rigide empfindet, stellt den Insolvenzantrag in einem Land, dessen Insolvenzrecht ihm günstiger erscheint. Interessant ist ein solches Vorgehen insbesondere für natürliche Personen. Da natürliche Personen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in aller Regel beantragen, um die Restschuldbefreiung zu erlangen, hat sich für diesen Teilbereich der Materie der Begriff Restschuldbefreiungs-Tourismus eingebürgert. Die Arbeit untersucht zunächst, warum sich der Restschuldbefreiungs-Tourismus so großer Beliebtheit erfreut, und vergleicht zu diesem Zwecke die deutschen Vorschriften über die Erteilung der Restschuldbefreiung mit dem österreichischen, schweizerischen, französischen, englischen, kanadischen und US-amerikanischen Insolvenzrecht. Anschließend werden die Grundlagen und die Entwicklung der Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung im Inland - sowohl nach dem autonomen deutschen Internationalen Insolvenzrecht als auch nach der EuInsVO - untersucht. Ausführungen zur Entstehung der EuInsVO, deren Ursprünge bis in das Jahr 1925 zurückreichen, runden das Bild ab. Breiten Raum nimmt die Frage ein, wo eine natürliche Person den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen hat, hängt hiervon doch ab, in welchem Mitgliedstaat der Europäischen Union ein Insolvenzantrag mit Erfolg gestellt werden kann. Dabei kommt die Arbeit zu dem Ergebnis, dass der Begriff des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen auf den im 19. Jahrhundert entstandenen Begriff des "centre des affaires" zurückgeht. Enthalten ist auch eine sprachvergleichende Analyse, die Materialien der Organe der Europäischen Union in insgesamt neun Amtssprachen einbezieht. Ein weiteres Kapitel der Arbeit beschreibt, welche Ausmaße der Restschuldbefreiungs-Tourismus speziell in England angenommen hat und wie die dortigen Gerichte versuchen, ihm Herr zu werden. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Verlegung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen wird einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Ein besonders umfangreiches Kapitel widmet sich dem ordre public im Internationalen Insolvenzrecht. Insgesamt 16 Fallgruppen, in denen die Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung problematisch sein kann, werden - teilweise unter Einbeziehung unveröffentlichter Rechtsprechung deutscher Instanzgerichte - eingehend erörtert. Anschließend geht die Arbeit noch der Frage nach, welche Auswirkungen die Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung auf inländische Rechtsverfolgungsmaßnahmen der Gläubiger hat. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Frage gelegt, wie deutsche Gerichte zu verfahren haben, wenn die ausländische Restschuldbefreiung dem Schuldner im Ausland widerrufen worden ist oder das ausländische Recht, nach dem die Restschuldbefreiung erteilt wurde, bestimmte Forderungen von vornherein von der Restschuldbefreiung ausnimmt. Es folgen Ausführungen dazu, welche Auswirkungen die Erteilung, aber auch die Versagung einer ausländischen Restschuldbefreiung auf inländische Insolvenzverfahren hat.