Beschreibung
Es ist schon ein klassischer Reflex: Erst wenn etwas nicht mehr da ist, wird der Verlust deutlich. So fragt sich auch für die Nachdenklichkeit, was fehlt, wenn sie schwindet. Gerade in politisch-gesellschaftlicher Hinsicht wird dieses Problem greifbar. Auffällig ist, wie sehr die lebensweltliche und intellektuelle Relevanz der Nachdenklichkeit in einem fast traditionellen Missverhältnis zum Nachdenken über die Nachdenklichkeit steht. Darauf reagiert dieser Band, indem folgenden Fragen nachgegangen wird: Zunächst ist der Status des Nachdenklichseins zu klären. Handelt es sich um eine Einstellung, Haltung, einen Wert oder eine Tugend? Hinzu kommen mögliche Abgrenzungen zu weiteren Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Empathie oder Sensibilität, gebunden an die Frage nach den Gründen und Quellen der Nachdenklichkeit im Kontrast zu ihrem Mangel oder Verlust. Dies führt zur Fragen, inwiefern lediglich das (Nach-)Denken angesprochen ist und nicht zugleich das Fühlen und Empfinden. Entsprechend sind auch Formen der Verkörperungen von Nachdenklichkeit zu bedenken. So sehr nachdenklich zu sein, wünschenswert ist, bleibt dieser Wunsch an Kontexte gebunden. Auch die Grenzen, ja das gleichsam Unangemessene der Nachdenklichkeit muss schliesslich ebenso zum Thema werden: Kann nachdenklich sein, wer vollkommen gelöst und ganz in einer Situation aufgeht? Muss nicht das Zögern des Nachdenklichen endlich der Entschiedenheit des Handelns weichen?
Autorenportrait
Hartmut von Sass ist Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie sowie Inhaber einer Heisenberg-Stelle an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu seinen Publikationen zählen Sprachspiele des Glaubens und Gott als Ereignis des Seins, beide bei Mohr Siebeck, Tübingen 2010 und 2013, erschienen; sowie Comparatively. On the Theory, Practice and Ethics of Comparisons, London, Bloomsbury 2020.