Beschreibung
Regine Steenbock verlässt sich in ihrem Chinesischen Gewebe, des chinesischen Sprachgewebes nicht mächtig, auf die Sprache der Mode. Staunend, befremdet, überwältigt steht sie inmitten von 'Globalization'- und 'One World'-Beschwörungen einer radikal fremden Welt gegenüber, deren Codes ihr und uns schillernd undurchsichtig sind. Wir treffen auf eine bizarre Mischung von Hightech und Lokal-Ethnischem. Die Globalisierung hat zum einen Lookalikes hervorgebracht: Jugendliche, die sich wenig von ihren Counterparts in, sagen wir Michigan oder Bielefeld, unterscheiden. Und rollenflexibel von ihrer traditionellen Kleidung in moderne Kleidung schlüpfen. Während auf der anderen Seite die 'Mysterious Customs' der in Trachten verpackten Minderheiten den chinesischen Touristen der affluenten Ober- und Mittelschicht als unterhaltsame Staffage für ein ultrakitschiges folkloristisches Theater dienen. Aber: Manchmal sind die Miaostickereien auch so kunstvoll, dass Hermès (China) sie sponsert. Auf einer Reise durch die verwirrende, auch verwirrend schöne Bilder- und Textilwelt verstärkt sich der Eindruck, dass nicht die Pop-Moderne in China angekommen ist. Vielmehr ist die Pop-Moderne spurlos von der chinesischen Mythen- und Symbolwelt aufgesogen worden. Hier gibt es kein Vor- und Nachher, keine Suche nach der verlorenen Zeit, und auch nichts Sentimentalisches, sondern alles ist gleichzeitig jetzt in ständiger, geschmückter Verwandlung. Barbara Vinken 'Chinesisches Gewebe' ist ein Bilderbuch der reisenden und forschenden Künstlerin und Modedesignerin Regine Steenbock. Wir folgen ihrem Blick in ein Land, das im sogenannten Westen dauerpräsent ist als Mythos, politische Dubiosität und wirtschaftliche Bedrohung. Gleichzeitig erscheint China fremd und schwer entzifferbar. In etwa 350 Bildern werden verschiedene Aspekte der textilen Kultur und Wirtschaft gezeigt - so wie sie sich in der alltäglichen Lebenswirklichkeit wiederfinden. Über 13 Monate hat sich Regine Steenbock für diese visuelle und textile Forschungsreise in Südchina aufgehalten. Sie durchstreift die textile Massenproduktion für den Weltmarkt im Perlflussdelta und entdeckt in verblüffender Koexistenzen 1300 km weiter landeinwärts, in Guizhou, die hochelaborierte traditionelle Textilkultur und die zeitgenössische Mode der chinesischen Minderheiten. Mythologische Vergangenheitsbewältigung trifft auf hoffnungsvollen Fortschrittsglauben, ferngesteuerte Politik auf lokale Anarchie. Das Buch präsentiert, in thematische Kapitel gegliedert, eine Essenz des umfangreichen zwischen 2016-18 entstandenen Bildarchivs, ergänzt um Kommentare, welche die speziellen Kontexte erklären. With no mastery of the Chinese linguistic fabric, Regine Steenbock relies on the language of fashion for Chinese Weave. On a journey through the confusing but also bewilderingly beautiful world of pictures and textiles, we increasingly get the impression that it is not pop modernism that has arrived in China. Instead, modernism has been soaked up in its entirety by the Chinese world of myths and symbols. There is no before and no after, no search for times lost, and nothing sentimental: everything is simultaneously in constant, ornamental transformation. Barbara Vinken
Autorenportrait
Regine Steenbock ist freischaffende Künstlerin und Modedesignerin und pendelt als solche zwischen freier und angewandter Kunst, zwischen künstlerischer Forschung und Gestaltung (Film, Mode, Fotografie). In allen Betätigungsfeldern geht es ihr um eine lebensnahe Erfassung der »conditio humana«, so wie sie sich im Alltagsleben widerspiegelt. 2001 gründete sie ihr Modelabel Sium (http://sium.net/) mit dem sie bis 2015 u.a. eigene Läden in Hamburg und Berlin führte. Angeregt durch ihre Lehrtätigkeiten in außereuropäischen Kulturkreisen (zuletzt von 2016-18 an der Beijing Normal University in Zhuhai, China), befasst sich Regine Steenbock seit 2016 als Künstlerin und Modedesignerin mit ethnologischer Modeforschung.( http://sium.net/landsoutside/) "Chinesisches Gewebe" war im Herbst 2019 als Ausstellung in der Galerie M29 in Köln zu sehen. Regine Steenbock lebt und arbeitet vorwiegend in Hamburg.