Beschreibung
Wir erleben zur Zeit eine signifikant zunehmende Alterung und Schrumpfung der Gesellschaft. Der deutliche Rückgang der Geburtenrate und die gestiegene Lebenserwartung kennzeichnen immer klarer den Weg unserer Gesellschaft. Diese Entwicklung führt in Deutschland - wie auch in anderen Ländern weltweit - zu gravierenden gesellschaftlichen Auswirkungen - so auch in den Kommunen und Kirchen. Eine neue Bevölkerungsgruppe ist im Verlauf dieses Prozesses entstanden, die Gruppe der neuen Alten. Dazu rechnen sich viele aktive, aufgeschlossene Menschen, die ihre Talente und Erfahrungen in die Gesellschaft und in die christlichen Gemeinden einbringen können - und dieses auch zunehmend wollen. Eine schleichende Auseinandersetzung zwischen jüngeren und älteren Menschen hat begonnen. Werden die Jüngeren bereit sein, die wachsende Zahl der Älteren materiell mitzutragen. Werden die Älteren in der Lage sein, die unterschiedlichen Lebensauffassungen der Jüngeren positiv zu begleiten? Die Phase des dritten Lebensabschnitts ist für viele Menschen oft auch eine Zeit der Bestandsaufnahme - eine Frage der Ehrlichkeit im Blick auf das eigene Leben. Mit Sorge beobachten sie die verbreitete Einschätzung, dass nur das junge Leben wertvoll ist und das alte als Zeit des Verfalls angesehen wird. Etliche plagen Schuldgefühle, sie wünschen sich Entlastung, um im neuen Lebensabschnitt als befreite Menschen neue Ideen und Vorstellungen verwirklichen zu können. Das Bild des älteren Menschen in der Kirche wird in Zukunft verstärkt geprägt sein von den neuen Alten. Auf Gemeindeebene muss deshalb ein Bewusstseinswandel in Bezug auf die gängigen Altersbilder und die wirklichen Bedürfnisse der älteren Generation einsetzen. Die Wiederentdeckung des Wir in den Gemeinden kann für die Kirche eine neue Anziehungskraft bedeuten, wenn es ihr gelingt, sich den Wünschen und Zielsetzungen der neuen Alten zu öffnen. Eine erfahrbare Wir-Gemeinschaft in der Kirche lässt sich nur durch die Verwirklichung ihres Auftrags erreichen, indem sie die Wahrheit des Glaubens in aller Öffentlichkeit - und besonders für alle ihre Mitglieder - verkündigt und lebt. Christlicher Glaube ist auf Wachstum angelegt, er darf sich nicht mit kleinen Zellen von Glaubenden zufrieden geben. Er kann sich deshalb auch nicht auf Grund der kirchlichen Situation mit resignativen Äußerungen über eine schrumpfende Kirche begnügen. Gemeindeaufbau sollte darauf angelegt sein, die neuen Alten mit ihren Gaben und Fähigkeiten zu gewinnen und ihnen mit der Botschaft des Evangeliums Lebensorientierung und -grundlage zu geben. Die seelsorgerliche Begleitung älterer Menschen in Umbruchsituationen ihres Lebens sowie das Angebot, ihnen ehrenamtliche Aufgaben in christlichen Gemeinden auf der Basis ihrer spezifischen beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen anzubieten, kann neue Perspektiven für die Kirche sowie für ältere Menschen eröffnen. Seelsorge als Angebot des christlichen Glaubens ermöglicht ihnen, sich selbst und ihre Lebenssituation besser zu verstehen. Wenn die neuen Alten eine christliche Gemeinschaft erleben, in der vertrauensvoll über persönliche Anliegen gesprochen werden kann, ergeben sich für sie oft neue, sinnvolle Lebensperspektiven.
Autorenportrait
Dr. Matthias Dannenmann studierte evangelische Theologie an den Universitäten Göttingen, Erlangen und Heidelberg. Stationen aus seinem beruflichen Leben: Dozent an der North Yarmouth Academy in Maine/USA, Generalsekretär des CVJM-Gesamtverbandes in Deutschland, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (AEJ), Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kurator des Christlichen Jugenddorfwerkes Deutschlands (CJD), geschäftsführender Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Bad Waldsee.