Beschreibung
In der Marx-Rezeption seit den 1960er Jahren entstanden erste Arbeiten einer gegenstands- und methodenkritischen Lektüre im Umkreis der Kritischen Theorie von Horkheimer und Adorno. Helmut Reichelts Zur logischen Struktur des Kapitalbegriffs bei Karl Marx (1968) wurde zu einem Klassiker dieser frühen Periode wertkritischer Schriften. In seinem 2008 erstmals erschienenen Buch treibt er diese noch weiter auf eine Auseinandersetzung mit Grundkategorien und Begrifflichkeiten der Sozialwissenschaft im weitesten Sinne - Struktur, Handlung, Subjektivität. Reichelts Neue Marx-Lektüre thematisiert wesentliche Erklärungsdefizite - wie die Begründung gesellschaftlicher Einheit und Allgemeinheit - in der Werttheorie von Marx, die dieser durch stillschweigende Einführung eines nicht weiter explizierten Geltungsbegriffs zu korrigieren sucht. Ein Konzept von Geltung, das sowohl Gegenständlichkeit und Addierbarkeit des Wertes als Voraussetzung makroökonomischer Analysen ermöglicht, ist bislang noch nie thematisiert, geschweige denn entwickelt worden. Zu Beginn werden die Einlösungsversuche eines solch anspruchsvollen gesellschaftskritischen Programms bei Adorno, Horkheimer und Sohn-Rethels Tauschabstraktion bilanziert. Im Anschluß an Überlegungen von Alfred Ammon, Georg Simmel und Hegel wird eine Lösung erarbeitet, die auch eine neue Form der Verknüpfung von Handlung und Struktur in der Sozialwissenschaft ermöglicht, an der auch neuere Versuche ökonomischer Kategorienentwicklung wie die von Gunnar Heinsohn/Otto Steiger bislang scheiterten. Im Resultat kommt Reichelt auf die dialektische Darstellung der Wert- und Kapitalformen bei Marx, die auf eine Erklärung der Verselbständigung von Struktur und Handlung in der bürgerlichen Gesellschaft zielt, und auf Adornos Reformulierung des Verhältnisses von Soziologie und Psychologie zurück sowie auf das Scheitern von Habermas' Konzeptualisierung von System und Lebenswelt.