Beschreibung
Kunstwerke, archäologische Funde und Literatur der Antike werden in der frühen Neuzeit noch ganz anders und offener ,gelesen' als im restriktiven Wissenschaftsmodus einer auf präzise Hermeneutik und Kritik gegründeten, fachlich ausdifferenzierten Rezeption seit dem späten 18. Jahrhundert. Insofern beschäftigen sich die Beitrage dieses Sammelbandes mit der historischen Umbruchsphase vom 17. zum 18. Jahrhundert im Umgang mit dem Überlieferungswissen der Antike, das in einer noch ganzheitlich begriffenen epistemischen Ordnung transferiert und funktionalisiert wurde. Anhand historisch spezifischer Fallstudien einer produktiven Antikerezeption soll zum einen für diese ,vorwissenschaftliche' Phase diskutiert werden, welche Aspekte der antiken Vorlagen in der Neuzeit wahrgenommen und wie sie intellektuell akzentuiert bzw. hierarchisiert wurden. Zugleich sollen die referentiellen Grundlagen für die dabei manifest werdenden Formen von Lesbarkeit erörtert werden. Die Gelehrsamkeit, in deren Horizont zwischen 17. und 18. Jahrhundert ein bis heute relevantes Sammlungs- und Wissenspotential über die Antike, ihre Kunst, Literatur und Kultur(en) aufgebaut und vernetzt wird, basiert auf weitgehend vergessenen, weil aus späterer und heutiger Sicht überholten Lesarten. Oft handelte es sich dabei sogar um falsch eingeschätzte Relektüren und einer daraus entwickelten Organisation des Wissens. Die historisch gewordenen Sichtweisen und Interessen, aber auch die Ausblendung mancher Elemente, die sich dabei manifestieren, sind wichtige Indikatoren für die Vorkenntnisse und Denksysteme, von denen letztlich dann auch wieder die neuzeitliche Rezeption ausgeht.
Autorenportrait
Dietrich Boschung, Professor für Klassische Archäologie an der Universität Köln. Erich Kleinschmidt, o. Prof. für Neure dt. Literaturwissenschaft mit Kulturwissenschaftlichem und kulturgeschichtlichem Schwerpunkt an der Univ. zu Köln.