Beschreibung
Begin at the beginning, sagt der König zu Alice, die sich im Wunderland zurecht finden will, and then go on till you come to the end: then stop. Im Wunderland literarischer Erzählungen ist es nicht so einfach, zu einem Ende zu kommen. Daß wir uns am Schluß der Geschichte andere Geschehensabläufe mit anderen Konsequenzen vorstellen können, daß gängige Schlußwendungen wie das happy end (oder ähnlich die Katastrophe) nicht irreversible Konzepte darstellen, macht schon deutlich, daß das Ende der Geschichte nicht endgültig ist. Die vorliegende Studie identifiziert dieses literarische Phänomen als nicht-endendes Ende. Anhand von erzählenden Texten Kleists, Jean Pauls und Kafkas, aber auch von Groschenromanen der Jerry Cotton-Reihe sowie Computer-Hypertexten und Interfiction werden verschiedene Typen und Funktionsweisen der nicht-endenden Enden entwickelt, insbesondere das peripetetische, das elliptische, das fragmentarische und das serielle Ende. Die im engeren Sinne erzähltheoretische Fragestellung hat aber noch weitere und vielleicht folgenschwerere Implikationen: Als Finale markiert ein vordergründig erzähltechnisches Manöver wie das Zu-Ende-bringen eine Finalität, die die reine Ablauf- oder Sukzessionsstrategie des Erzählens transzendiert. Das Ende mutiert zu einem hermeneutischen Fixpunkt, ohne den ein wie auch immer geartetes Verstehen des narrativen Textes nicht möglich scheint. Das Ende wird zum Anfangspunkt eines mentalen Prozesses, der noch über den Akt der Lektüre hinaus geht, ihn ergänzt, ihn abschließt und ihn überhöht. Das Nicht-Endende hat darum erhebliche Konsequenzen auch für Hermeneutik und Medientheorie und lässt am Ende Rückschlüsse auf die Entwicklungsmöglichkeiten und Grenzen der Literatur zu.