Beschreibung
In seinen letzten, nach der Krebsdiagnose im Jahr 2008 entstandenen Inszenierungen rückte Christoph Schlingensief das persönliche Aufbegehren gegen den eigenen Tod in das Zentrum seines Schaffens. Indem er sein gegenwärtiges und vergangenes Ich von der Grenze des Todes her entwarf, verlieh der Regisseur einem seit je konstitutiven inklusiven Kunstverständnis existentielle Tragweite. Die Publikation widmet sich dieser totalen Ich-Geste, die eine Fülle an Selbstäußerungspraktiken aus dem Feld der literarischen Autobiographie einerseits und der philosophischen Redefigur des Sterbenlernens andererseits für die Theaterbühne funktionalisiert. Dabei zeigt sich die spezifische "Autobiotheatralität" Schlingensiefs unter geeignetem Blickwinkel als Inversionsfigur: Die Inszenierungen kippen von einer Kunst der Verarbeitung des möglicherweise bevorstehenden Todes in eine Kunst über die künstlerische Ideengeschichte seit Wagner, die sich aus Fluktuationen des Lebens generiert. So geben sich die Theaterarbeiten als Modellfall Schlingensief'scher Ideenpraxis zu erkennen, in fortwährender Transformation von eigenem und fremdem künstlerischem Material Kunst über Kunst zu machen.
Autorenportrait
Johanna Zorn, geboren 1985 in Innsbruck, studierte Vergleichende Literaturwissenschaft, Philosophie und Musikwissenschaft an den Universitäten Innsbruck, Aix-Marseille und Zürich. Von 2011 bis 2015 forschte sie als Mitglied des interdisziplinären Promotionsprogramms ProArt der Ludwig-Maximilians-Universität München mit Stipendien der Graduiertenförderung nach dem Bayerischen Eliteförderungsgesetz und der Fazit-Stiftung über Christoph Schlingensiefs letzte Bühnenarbeiten. Von 2012 bis 2016 war sie Lehrbeauftragte am Institut für Theaterwissenschaft der LMU München sowie an der Schauspielschule Innsbruck. Seit Oktober 2016 ist sie als Akademische Rätin a.Z. am Institut für Theaterwissenschaft tätig