Beschreibung
Lange Zeit wurde Thomas Müntzer in einseitiger Betrachtung seines Lebens und seiner Aktivitäten lediglich als predigender Revolutionär an der Spitze aufständischer Bauern gesehen, der nach anfänglicher Eintracht mit Luther aneinandergerät und schließlich dessen Unterstützung verliert. Doch längst weiß man, dass man ihm und seinen Intentionen mit einer solchen Einschätzung keinesfalls gerecht wird. Denn er ist vor allem der sowohl mystisch als auch eschatologisch ausgerichtete Theologe, gar der auf den gottesdienstlichen Vollzug ausgerichtete Liturgiker, der zu den großen Wegbereitern der Deutschen Messe gehört.Die von Gerhard Wehr zusammengestellte Textauswahl in der marix-Mystikerreihe gibt einen Überblick über sämtliche Tendenzen seiner Schriften: von Schimpftiraden und politischer Anklage über eschatologische Anweisungen zum weit über das verschriftlichte Gotteswort hinausgehende mystische Erleben des Gotteswortes in der Allgegenwärtigkeit des Heiligen Geistes bis zu seinen Überlegungen zu einer liturgischen Reform, die über die Reformation hinaus den Ablauf des Gottesdienstes beeinflusst hat.
Autorenportrait
Dr. theol. h.c. Gerhard Wehr, geb. 1931 in Schweinfurt/Main. Nach langjähriger Tätigkeit auf verschiedenen Feldern der Diakonie und der Erwachsenenbildung, zuletzt als Lehrbeauftragter an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Rummelsberg/Nürnberg, arbeitet er als freier Schriftsteller in Schwarzenbruck bei Nürnberg. Ein Großteil seiner Werke zur neueren Religions- und Geistesgeschichte ist in mehreren europäischen und asiatischen Sprachen verbreitet. Autorenvita Thomas Müntzer wird um 1489/1490 in Stollberg im Harz geboren. Nach einem Studium in Leipzig und Frankfurt an der Oder erhält er 1514 seine Priesterweihe in Halberstadt. Von 1516 an geht er diversen kirchlichen Anstellungen nach, ist u.a. Beichtvater in einem Nonnenkloster und Schulvorsteher. Um 1517/1519 herum wird er mit Martin Luther bekannt. Aufgrund seiner sich bald nicht mehr im Einklang mit Luthers Reformansichten befindenden Äußerungen in Schriften und öffentlichen Auftritten wird er immer wieder ausgewiesen und muss sich neue Anstellungen zu suchen. 1523 heiratet er die ehemalige Nonne Ottilie von Gersen. 1525 zieht er mit den aufständischen Bauern ins Feld; vor Franken werden sie vernichtend geschlagen. Müntzer gerät in Gefangenschaft, wird gefoltert, verhört und schließlich enthauptet.