Beschreibung
Als Georg Klein im Jahr 1998 mit dem rätselhaft betitelten und auch sonst äu-ßerst vieldeutigen Agententhriller Libidissi ein spätes Debüt in der literarischen Öffentlichkeit feierte, reagierte die professionelle Kritik gleichermaßen begeistert wie hilflos auf das Erstlingswerk des 45jährigen Autors: Während alles in allem Einigkeit darüber herrschte, dass Klein einen ästhetisch hochrangigen Text vorgelegt und der Gegenwartsliteratur einen neuen Ton hinzugefügt habe, gerieten weitergehende Rubrizierungsversuche disparat. So wurde der Roman etwa als Beitrag zur Neoromantik und zur Décadence gelesen, als Comic in Romanform oder als Magical History Tour, und es wurde ein breites Spektrum an Referenzgrößen aufgefächert, das von Novalis über Kafka bis zu Thomas Pynchon reichte. Seither hat Georg Klein vier weitere Romane, drei Erzählungsbande sowie zahlreiche Essays und Feuilletonartikel vorgelegt, die ihm erhebliche Mengen der raren Ressource öffentliche Aufmerksamkeit eingebracht und mittlerweile einen festen Platz in der vordersten Reihe der deutschsprachigen Gegenwartsautoren gesichert haben; weithin sichtbares Zeichen dieser Position war zuletzt die Auszeichnung mit dem Preis der Leipziger Buchmesse im Jahr 2010 für seinen Erzähltext Roman unserer Kindheit. Trotz der Beachtung, die Kleins Werk seit eineinhalb Jahrzehnten findet, sind sowohl die zentralen Merkmale seiner Texte als auch die seines Schreibprogramms sowie dessen Differenzen und Parallelen zu anderen zeitgenössischen uvres und Poetiken noch weitge-hend unklar. Allgemein konstatiert wird lediglich eine Dominanz der Form über die Themen, die in näheren Analysen als Entkontextualisierung und Rekombination des literarischen, historischen und biographischen Materials im Dienste eines autonomen Spiels der Zeichen erläutert wird. Der vorliegende Band nimmt diese Situation zum Anlass, eine breit perspektivierte erste Zwischenbilanz zu Kleins Werk vorzulegen, die neben Analysen zu Einzeltexten und werkübergreifenden Problemstellungen auch den Autor selbst zu Wort kommen lässt, die seiner Lust am Text nachgeht und so Lust auf die Lektüre seiner Texte wecken will. Als Zwischenbilanz versteht sich der Band dabei deshalb, weil Klein ja im Sinne Bourdieus noch ein junger Autor ist und keineswegs ausgeschrieben. Fast zeitgleich mit diesem Sammelband erscheint sein neuer Roman, Die Zukunft des Mars, der dem Leser aufs Neue bescheren mag, was Georg Klein kürzlich in einem Essay über Das Verhältnis von Roman und Zukunft als Ziel jeglicher Romanlektüre benannt hat: die Verschmelzung des eigenen kreativen Systems mit der Struktur des Textes, die grandiose Identifikation des lesenden Bewusstseins mit der imaginierten Romanwelt, die Flucht in eine großartige Weite. Man darf also gespannt sein.