Beschreibung
Die gegenwärtige juristische Debatte über die Menschenwürde kreist vor allem um die Frage der Verfügbarkeit oder Unverfügbarkeit der menschlichen Würde im Sinne ihres Status als einer abwägungsfähigen oder -resistenten Position. Dabei wird die Diskussion oftmals verengt als Auseinandersetzung über die mögliche Herkunft des Würde-Konzepts als einer genuin christlichen Figur einerseits oder einer stärker antik-humanistischen Traditionen verpflichteten Konstruktion andererseits geführt. Konträr zu diesem genetischen Erklärungsmodell fragen Karl-Heinz Ladeur und Ino Augsberg, welche rationale Funktion einem Unverfügbarkeitstopos innerhalb des Rechtssystems zukommen könnte. Vor dem Hintergrund dieser funktionalen Analyse richten sie den Blick auf ihre Konsequenzen für die Relevanz des Menschenwürdekonzepts bezüglich aktueller Problemfelder wie der Humangenetik, der Neurowissenschaft und der Veränderung der Medienlandschaft. Dabei treten die Autoren zugleich einem zu beobachtenden Trend entgegen, den Rekurs auf die Menschenwürde zum allgemeinen Ersatz für in der modernen Gesellschaft verloren gegangene gemeinsame Überzeugungen und Werte ausufern zu lassen. Statt dergestalt die Menschenwürde in einem substanzhaften Verständnis gegen die Veränderungsprozesse der Moderne in Stellung zu bringen, zeigen sie, wie das Konzept vielmehr als ein Prinzip der Wiedereinführung von Diversität und Varietät der Möglichkeiten die Ausdifferenzierungsprozesse der gegenwärtigen Gesellschaft auf eine produktive Weise unterstützen kann.
Autorenportrait
Geboren 1976; Inhaber des Lehrstuhls für Rechtsphilosophie und Öffentliches Recht sowie Co-Direktor des Hermann Kantorowicz-Instituts für juristische Grundlagenforschung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.