Beschreibung
Mit der Umstellung der derzeit gültigen Bemessungsnormen auf das semiprobabilistische Sicherheitskonzept und der Einführung von Rechenverfahren zum Nachweis von Holzbauteilen unter Brandbeanspruchung wird die Möglichkeit des Schubversagens eines auf Biegung beanspruchten Trägers vor Erreichen der über die Normalspannung ermittelten Feuerwiderstandsdauer nicht ausreichend erfasst. Die bisherige Bedingungsgleichung bei maßgebender Schubbelastung ist aufgrund fehlender Anpassung nicht mehr anwendbar. Zudem ist für das genauere Nachweisverfahren kein Modifikationsfaktor zur Reduzierung der Schubfestigkeit angegeben. Lediglich die europäische Brandschutznorm enthält für das allgemeine Berechnungsverfahren eine temperaturabhängige, bilineare Abminderungsfunktion für die Schubfestigkeit. Bislang veröffentlichte Ergebnisse zur thermisch bedingten Abnahme der Schubeigenschaften ließen einen geringeren Einfluss der Temperatur als der normativ vorgegebene erkennen. Zur genaueren Analyse wurden eigene Versuche an thermischmechanisch beanspruchten Nadelholzproben mithilfe eines neu entwickelten Prüfverfahrens durchgeführt. Durch den Einsatz mehrerer Messmethoden konnte neben der temperaturabhängigen Schubfestigkeit auch der Schubmodul ermittelt werden. Die bei verschiedenen, konstanten thermischen Einwirkungsstufen bestimmten Ergebnisse ermöglichen erstmals für den Temperaturbereich bis 200 °C die Angabe von exakteren Reduktionsfaktoren und Abminderungsfunktionen für die Schubeigenschaften. Ausgehend von den Versuchsergebnissen sowie Literaturwerten zum thermischen Einfluss auf die Festigkeits- und Steifigkeitseigenschaften von Holz wurde zur Abbildung in einer numerischen Simulation mithilfe der Methode der finiten Elemente für die untersuchten Temperaturlaststufen ein Materialmodell abgeleitet und validiert, welches die nichtlineare Orthotropie des Werkstoffes berücksichtigt. Durch die Erweiterung des identifizierten Materialmodells um die Temperaturabhängigkeit kann nun in einer thermisch-mechanisch gekoppelten Analyse die Berechnung und Darstellung der Schubspannungsverteilung in einem brandbeanspruchten Querschnitt erfolgen. Auf Grundlage der in den experimentellen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse sowie der Berechnungsergebnisse der numerischen Analyse konnte als Ergebnis dieser Arbeit für den Nachweis der Schubtragfähigkeit im Brandfall die bisherige Bedingungsgleichung angepasst und ein bislang fehlendes Bemessungskonzept entwickelt werden. Mit der Festlegung eines erhöhten Abbrandwertes für das vereinfachte Verfahren und der Angabe eines Modifikationsfaktors zur Berücksichtigung des Temperatureinflusses auf die Schubeigenschaften im genaueren Verfahren stehen für die Brandschutzbemessung von Holzbauteilen bei Schubbeanspruchung, neben der Bedingungsgleichung, beide Berechnungsmöglichkeiten zur Verfügung, die sich in die bestehende, normative Nachweisstruktur einfügen.